1992
Zofinger Tagblatt, 5. Mai 1992:
Konzert des Orchestervereins Zofingen
Echte Freude am Musizieren
Nach längerem Unterbruch ist der Orchesterverein Zofingen am Sonntag abend wieder vor die Öffentlichkeit getreten und hat sein Publikum mit einem originellen «gemischten» Programm erfreut. Gespielt wurden Werke von Peter Klaus, Benjamin Britten, Leopold Mozart und Franz Schubert.
Von Peter A. Preiswerk
Wir leben im Zeitalter des Konsumierens. Parteien und Vereine aller Richtungen beklagen das Fehlen von Nachwuchs, denn kaum jemand mehr will sich wirklich für etwas engagieren, sondern nur passiv konsumieren. Der Orchesterverein Zofingen hat dagegen eine längere, man kann wohl sagen «schöpferische» Pause benützt, um eine Anzahl neuer Mitglieder zu gewinnen. Zudem hat er sich in dieser Zeit nach einem neuen Dirigenten umgesehen und ihn auch in der Person von Nicolas Buicà gefunden. Beides zusammen — der Nachwuchs und der neue musikalische Leiter — hat sich durchwegs positiv ausgewirkt: Buicà hat für ein originelles Programm gesorgt, das die Musiker nicht überfordert und doch viel Neues und Überraschendes gebracht hat. Das Ensemble war gut vorbereitet und spielte ebenso kultiviert wie engagiert, wobei es vom Dirigenten sorgfältig und aufmerksam geleitet wurde.
Das Konzert im Stadtsaal begann mit dem Concertino für Posaune solo, Streicher und Schlagzeug des 1955 geborenen und heute in Unterkulm tätigen Peter Klaus. Seine Komposition wirkte moderat-modern und ist auch für den Laien durchaus verständlich. lm ersten Satz (Maestoso) steht die herausfordernd rufende Posaune, sehr subtil geblasen von Petra Klaus, dem über weite Strecken zurückhaltenden Orchester gegenüber. Schön das Solo von Posaune und Schlagzeug! Der zweite Satz (Misterioso) wirkt zeitweilig unerlöst, beinahe tragisch, dann aber auch flirrend und choralartig. Am eingängisten der dritte Satz (alle marcia), in dem Zirkusatmosphäre auf überzeugende Weise zum Ausdruck gebracht wird. Beachtenswert das Posaunensolo!
Benjamin Brittens «Simple Symphony» ist alles andere als simpel oder einfach, sondern steckt voller Tücken, die aber vom Orchesterverein auf überzeugende Weise gemeistert wurden. Der Komponist hat vier englische Volksweisen in der Art des 17. und 18.Jahrhunderts verarbeitet. In «Boisterous Bourrée» kamen die lyrischen Partien sehr schön zum Tragen. «Playful Pizzicati» anzuhören, war eine reine Freude. «Sentimental Seraband» fesselte durch ihre Ausgewogenheit, und «Frolicsome Finale» wirkte temperamentvoll und elegant.
Mit Spannung erwartet wurde Leopold Mozarts Sinfonia Pastorale in G-Dur, war doch als Soloinstrument nichts anderes als ein Alphorn vorgesehen. Es erwies sich, dass Petra Klaus dieses heikle Instrument, das nur über relativ wenig Töne verfügt, mit Bravour zu blasen und die Tonstärke mit echtem Können zu variieren versteht. Das Alphorn war in den beiden Ecksätzen «Allegro moderato» (lebhaft-bukolisch) und «Presto» (von zielstrebiger Eleganz) zu hören, während das bedächtig-innige «Andante» von den Streichern allein intoniert wurde.
Den eigentlichen Höhepunkt erreichte das Konzert mit den beiden Ballettmusiken zu «Rosamunde» von Franz Schubert mit ihrem pompösdramatischen «Allegro moderato», das fugenlos in das stimmungsvolle. fröhliche «Andante un poco assai» überging und die im vertrauten «Andantino» endete, das eine ebenso wirkungsvolle wie differenzierte Wiedergabe erfuhr.
Dieses Konzert des Orchestervereins Zofingen bewegte sich auf einem erfreulich hohen Niveau. Die Zuhörer dankten mit herzhaftem Applaus und kamen deswegen in den Genuss einer Zugabe.
Zofinger Tagblatt, 22. Dezember 1992:
«Musik zu Weihnachten» in der Stadtkirche Zofingen
Ein festliches, beglückendes Erlebnis
Ungewöhnlich war nicht nur das Zusammengehen des Orchestervereins Zofingen (Leitung Nicolas Buicà) mit dem Männerchor Küngoldingen (Leitung Karl Kipfer) im Adventsprogramm der Konzertkommission, ungewöhnlich war auch der Inhalt und die musikalische Qualität. In der bis auf den letzten Platz gefüllten Zofinger Stadtkirche erlebten die Besucher eine Stunde der Feierlichkeit und weihnachtlichen Freude.
Von Klaus Plaar
Selbst der Chor der Stadtkirche und die Stehplätze waren am Sonntag restlos besetzt, als Konzertkommissionspräsident Charles Veuve den Willkommensgruss sprach und darum bat. während der festlichen musikalischen Stunde nicht zu applaudieren. Zum 4. Advent standen Werke von Jean-Baptiste Lully (1632-1687), Jan Jakub Ryba (1765-1815), Johann David Heinichen (1683-1729), Adolphe Adam (1803-1856), Peter Cornelius (1824-1874) sowie verschiedene Weihnachtslieder auf dem Programm, vorgetragen vom Orchesterverein Zofingen und dem Männerchor Küngoldingen, begleitet von Orgel und Cembalo (Corinne Grendelmeier) sowie Harfe (Barbara Kipfer), mit Soli von Alex Grendelmeier (Bariton) und Corinne Grendelmeier (Alt).
Ruhe, Feierlichkeit und jubilierende Freude musikalisch umgesetzt
Eröffnet wurde das Konzert durch den Orchesterverein mit «Chaconne G-Dur» von Jean-Baptiste Lully. Von feierlicher Ruhe getragen, breit abgestützt namentlich durch die Streichinstrumente, verbreiteten sich sogleich Tiefe und Freude des Barocks — ein musikalischer Genuss für jede sensible Seele. Pastorale Töne vermittelte das «Gloria» aus der tschechischen Weihnachtsmesse von Jan Jakub Ryba, gesungen vom Männerchor und begleitet vom Orchester. «Seht des Himmels Licht...», hiess es da im Text. Das Zusammenspiel von Chor und Orchester unter der Leitung von Nicolas Buicà wurde von Strophe zu Strophe besser, und das voluminöse «Gloria» von Stimmen und Instrumenten bildete einen eindrücklichen Schluss. Vier Weihnachtslieder trug der Männerchor KüngoldingenMännerchor Küngoldingen unter der Leitung von Karl Kipfer anschliessend vor. «Freu dich o Welt! Dein König kommt! Stimmen all erklingt!», so lautete der erste Titel, und wirklich hallten die Stimmen durch die sakrale Architektur, dass man an das Gemäuer von Jericho denken musste. «O Jubel o Freud» hiess das nächste Lied, mit dem Refrain «Mensch lauf herbei, dein Herz sich erfreu». ln rassigem Tempo vorgetragen, gelang es vor allem den höheren Stimmen des Chores ausgezeichnet, Jubel auszudrücken. Zu einem wahren Crescendo kam es im «Halleluja» des Vortrags «Freu dich Erd und Sternenzelt». Hier konnte der Chor seine volle Klangfülle entfalten. «O Freude über Freude» bildete den ebenfalls gelungenen Abschluss dieser vier Vorträge.
Hohes musikalisches Niveau bei den pastoralen Stücken ausgespielt
Zur vollen Entfaltung kam das Orchester bei «Pastorale per la Notte della Nativitate Christi» von Johann David Heinichen. Zu den zarten Flöten-Passagen spielte Corinne Grendelmeier ebenso feinfühlig Cembalo. Bei dem schwierig zu spielenden Stück zeigten auch die Streicher ihre Klasse, und das Orchester vermittelte vorzüglichen Musikgenuss. In «Coventry Carol» (übersetzt von Alex Grendelmeier) erfüllte die wunderbare Alt-Stimme von Corinne Grendelmeier den Raum. Ein weiterer Höhepunkt bahnte sich mit dem Lied «0 Heil‘ge Nacht» von Adolphe Adam an (übersetzt von Alex Grendelmeier). Dirigent Kipfer führte seinen Chor zur ganzen Konzentration und Intensität, begleitet von Harfe (Barbara Kipfer) und Orgel (Corinne Grendelmeier). Jetzt war der Boden vorbereitet für Alex Grendelmeiers Solo. Von Haus aus Tenor, sang er in Bariton-Lage das unvergessliche Lied mit dem Refrain «Gelobt sei Gott für diese Nacht» ein ergreifendes Erlebnis! Langsam, mit breitem Choral, trug der Männerchor «Die Könige» vor, wiederum mit einem Solo von Alex Grendelmeier.
Zum Finale trugen Orchester, Männerchor und Publikum unter der Leitung von Nicolas Buicà drei Advents- beziehungsweise Weihnachtslieder vor. So bekannt diese Titel auch sind, so war es doch eine Freude, dem Zusammenspiel aller zu lauschen. Getragen von den vollen Stimmen des Chores, beflügelt durch die Musikalität des Orchesters und geleitet vom Dirigenten vermochte das Publikum mitzuhalten in schönem Zusammenspiel.
Jetzt endlich durfte applaudiert werden! Niemand wollte sich von dem tiefen Erlebnis trennen. Es zeigte sich, dass der Orchesterverein mit einer Zugabe nicht gerechnet hatte. Nach kurzer Absprache wurde sie jedoch — glanzvoll — gewährt.